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Die Quadratur des Gewaltkreislaufs

Gerhard Hafner
Dipl.-Psych., Marzahn-Hellersdorfer Beratung für Männer - gegen
Gewalt (Träger: Volkssolidarität), engagiert in der Berliner Kampagne "Gemeinsam
gegen Männergewalt" und in der Mannsarde - gegen Männergewalt e.V./
Weißen-Schleifen-Kampagne, Kontakt: fon/fax 030.7859825,

Abstract für den Hochschultag:

Über die schiere Unmöglichkeit, als Psychologe Männer von der Gewalt abzubringen
und den Chancen, es dennoch zu schaffen
Lässt sich der gewalttätige Mann überhaupt verändern? Hat er ein eigenes
Bedürfnis, sein Verhaltensdefizit abzubauen und mit Konflikten und Stress
produktiv umzugehen? Hat er das Gefühl, sich mit seiner Gewalt selber zu
schaden? Muss man ihm das Verwerfliche seines Tuns immer wieder ins Bewusstsein
einpauken? Hat er ein Interesse an einer gleichberechtigten Partnerschaft? Oder
helfen allein konsequente juristische Maßnahmen, da Gewalt ein Ausdruck
männlicher Privilegien ist?

Literatur von Gerhard Hafner
G. Hafner/C. Spoden: Möglichkeiten zur Veränderung gewalttätiger Männer im Rahmen einer Männerberatungsstelle. Gutachten für die Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Berlin 1991

G. Hafner: Psychosoziale und kommunale Interventionen gegen häusliche Männergewalt. In: Günther Deegener (Hg.): Sexuelle und körperliche Gewalt. Therapie jugendlicher und erwachsener Täter. Weinheim: Beltz Psychologie VerlagsUnion 1999, S. 308-339

Gerhard Hafner: Geschlecht als Wesen MannSein? Kritische Anmerkungen zur »Freitag«-Männerkolumne  

Gerhard Hafner: Mama-Klatschen. Mama-Klatschen GESCHLECHTER. Abwesende Väter - schuldige Mütter?

Artikel aus QUER 4
Gerhard Hafner

"Sag mir, wo die Männer sind..."

Über unmotivierte Täter
und eine Täterarbeit, die erst am Anfang steht

Bereits in den Neunziger Jahren startete die damalige Bundesfrauenministerin eine Männerkampagne: "Gewalt gegen Frauen zerstört auch Männer". Leiden prügelnde Männer also?

"Für den Täter selbst hat gewalttätiges Handeln viele negative Folgen: Gewalt führt zu Ablehnungen. Es macht den Täter häufig einsam und schürt bei ihm unterschwellig Schuldgefühle. Oft entwickelt sich Angst vor Rache. Die Sehnsucht von Männern, von ihrer Partnerin geliebt zu werden und ihnen entsprechende Gefühle zu geben, wird sich nicht erfüllen,  wenn sie versuchen, dies durch Gewalt zu erzwingen. Alles das, was sie sich als ideale Partnerschaft und Familie erträumen, zerstören sie sich selbst. Ihre eigene Persönlichkeit nimmt Schaden, wenn sie damit fortfahren, eigene Schwäche mit Gewalt zu verdecken. Sie nehmen sich dadurch die Chance, sich ihren Schwächen und Defiziten zu stellen, um dadurch gelassener und tatsächlich sogar stärker zu werden. Solange Männer ihre Schwäche durch Gewalt verdecken, können sie auch nicht lernen, sich für die Befriedigung eigener existienzieller Bedürfnisse einzusetzen. Sie verharren stattdessen in ihren Ohnmachtsgefühlen, die sich mit der Zeit verstärken. So beginnt der Kreislauf der Gewalt." Soweit die frühere Bundesministerin für Frauen und Jugend Angela Merkel im Jahre 1993. (1)

Leiden Männer wirklich? Leiden sie unter den Taten, die sie ihrer Partnerin antun?

Vergleicht man das Ausmaß häuslicher Gewalt mit der lächerlichen Anzahl von Männern, die entweder freiwillig oder auf Druck ihrer (Ex-)Frau oder vielleicht sogar auf Grund der Weisung eines Gerichtes eine Beratung aufsuchen, so muss man doch an der ministeriellen Analyse männlichen Leidens zweifeln.

"Im Grunde haben wir es hier nur und ausschließlich mit einem Männerproblem zu tun - nur, dass es die meisten Männer in keiner Weise zu tangieren scheint." So die damalige Berliner Frauensenatorin Christine Bergmann anläßlich der Berliner Präventionsdebatte zur Gewalt gegen Frauen im Jahre 1993. Überschrieben war die Fachtagung mit der ironischen Schlagerfrage: 'Sag mir, wo die Männer sind ...'. (2)

Der Perspektivwechsel (von Merkel '"Perspektiverweiterung" genannt), der von Politikerinnen aller Couleur in den neunziger Jahren ausgerufen wurde, sollte die Hilfe für die Gewaltopfer nicht ersetzen, sondern die Täter ins Visier nehmen. Sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene sollte umgedacht werden: Die Problemlösung müsse bei der Wurzel, dem Täter, ansetzen. "Stopp der Gewalt gegen Frauen - So löst mann keine Probleme" forderte Bergmann im Herbst 1995 die Berliner Männer in einer Männerkampagne auf. "Noch immer gibt es viele Täter, die Gewalt gegen Frauen als Kavaliersdelikt betrachten und die Schuld an ihrem gewalttätigen Verhalten nicht sich, sondern den Frauen zuweisen." Die Täter wurden aufgefordert, ihr Gewaltverhalten zu beenden und sich an Männerberatungsstellen zu wenden. (3)

Doch motiviert das Leiden an der familiären und persönlichen Situation oder auch tiefgreifende Krisen gewalttätige Männer, sich spontan zu ändern oder eine Anti-Gewalt-Beratung aufzusuchen? Täter, die eine Beratung aufsuchen - so die Erfahrung fast aller Beratungsstellen in den USA, England oder auch Deutschland - tun dies nur sehr selten aufgrund eines intrinsischen Bedürfnisses, gewalttätiges Verhalten zu beenden. In aller Regel kommen Selbstmelder - wenn sie denn kommen! - aufgrund des Drucks der Partnerin. Nicht selten erhoffen sie sich von der Beratung, dass sie ihren Willen zur Veränderung dokumentieren möge und sie damit ihre Partnerin, die sich von ihnen bereits getrennt hat, beeindrucken können. "Können Sie mir meine Frau zurückholen; es ist doch eigentlich gar nichts passiert" - so der Tenor vieler Eingangsgespräche. Der Leidensdruck des Täters ist gering; er gilt den Folgen der Tat, nicht der Tat selber.

Der Appell an das eigene Leiden oder die Hoffnung auf mentale Veränderungen bewegt so gut wie keinen gewalttätigen Mann, so die nüchterne Erkenntnis. Der Widerstand von Mißhandlern, ihr Verhalten aufzugeben, sitzt tief. Die Trennungskrise trifft einige Täter an einem neuralgischen Punkt; viele sind jedoch nur durch klare Grenzsetzungen und einschneidende Sanktionen zu erschüttern. Die Kombination von konsequenten juristischen Sanktionen mit psychosozialen Maßnahmen erreichen Gewalttäter am ehesten. Beratung oder sozialpädagogische Maßnahmen, die isoliert stehen, sind im gesellschaftlichen Maßstab wenig effektiv. Nach diesem Konzept arbeiten kommunale Interventionsprojekte in den USA seit nunmehr zwei Jahrzehnten.

Männerbewegte

Wie sieht bisher die sozialtherapeutische Arbeit mit Tätern aus? Therapeuten lieben motivierte Selbstmelder; auch Männerberater tun sich schwer mit fremd motivierten Klienten. Das Hamburger Projekt Männer gegen Männer-Gewalt" (MgM), das als erstes Projekt bereits in der Mitte der achtziger Jahre als Selbsthilfegruppe schlagender Männer begann, beschränkt sich dezidiert auf Selbstmelder. "Männer gegen Männer-Gewalt steht ausschließlich für die Arbeit für freiwillig kommende massiv gewalttätige Männer." MgM polemisiert denn auch anhaltend gegen das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt BIG, das auf richterliche Bewährungsauflagen setzt. "Unsere Arbeit verstehen wir in diesem Sinne als politische Arbeit für Männer. Gewaltarbeit wird international nur zu gern als Arbeit gegen Männer, als Ausagieren von Männerhass missbraucht." (4)

Die meisten Männerinitiativen konzentrieren sich auf die psychosoziale Arbeit mit Selbstmeldern vor dem Hintergrund einer spezifischen männerpolitischen Haltung: Gewalttätiges Verhalten drücke eine nicht anders zu artikulierende Bedürftigkeit und einen Mangel an sozialen Kompetenzen aus, der durch Beratung kompensiert werden könne. Dass Gewalt der Machtausübung diene, sei ein feministischer Irrtum. "Kein Täter schlägt in einer Situation, in der er sich psychisch stark und physisch kraftvoll fühlt. Ebenso wenig schlägt er zu, um den Konflikt zu lösen, bzw. in der Absicht, ein Problem aus der Welt zu schaffen. Gewalt wird in Situationen ausgeübt, in denen der Täter nicht mehr weiter weiß, in denen er nicht versteht, was geschieht, und in denen er seiner drohenden Ohnmacht zu entkommen sucht." (5)

Sicherlich hängt sich das Hamburger Projekt mit seiner antifeministischen Haltung am weitesten aus dem Fenster und ist in der kleinen Szene der deutschen Männerprojekte auf Grund seines aggressiven Tons und eingetragenen Warenzeichens für seinen Namen und Konzept isoliert. Doch seine Männerthesen werden im Grunde von vielen Männerberatern geteilt - und nicht nur von ihnen. Das kleine Land Mecklenburg-Vorpommern mit seinem einzig dastehenden Referat "Männer und Familie / gleichgeschlechtliche Lebensweisen" im Sozialministerium unterstützt mehrere Männerprojekte mit dem Hamburger "Gütesiegel" Männer gegen Männergewalt®. Auf der anderen Seite etabliert dieses Land nach dem Vorbild von BIG das Interventionsprojekt „Contra Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern". Dass es mit dem Täterprogramm in der Zerreißprobe zwischen feministischer und maskulistischer Arbeit nicht voran geht, muss nicht verwundern.

Kooperation

Wie stehen Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen zur Beratung von gewalttätigen Männern? "Die klare Parteilichkeit für Frauen und Kinder schließt die Beratung von mißhandelnden Männern aus." (6) Männer- oder Paarberatung im Kontext der Frauenhausarbeit erfolgte bisher nur sehr vereinzelt in Frauenhäusern, und zwar solchen, die sich nicht als autonom definieren. Zwar hatte auch BIG ein paar Männerberater in seinen Reihen, doch bereits in der Vorlaufphase kam es zu Auseinandersetzungen über das prekäre Verhältnis von Frauenunterstützung und Täterprogramm. Spannungen gab es bei "Feministinnen und Männern aus Männerberatungsstellen, die sich in der Regel mit Mißtrauen und Vorbehalten begegneten und noch keine Kooperationserfahrungen hatten." (7)

Was sind die Ursachen, dass die Täterarbeit zwar als Konzept vorlag, aber nicht umgesetzt wurde? Das Täterkonzept von BIG konzentrierte sich auf Sanktionen als sozialpädagogische Maßnahme - was mit dem Ansatz des sich als männerfreundlich verstehenden Männerprojektes wie Mannege - Information und Beratung für Männer, der das persönliche Wachstum von Männern am Herzen liegt, nicht recht kompatibel ist. WIBIG, also die wissenschaftliche Begleitung von BIG, kritisiert bei den Frauen die starre Konzeption: "Mitarbeiterinnen von Schutz- und Beratungseinrichtungen für Frauen müssen bedenken, dass ein Konzept, das sich ausschließlich auf Konfrontation und Sanktion beschränkt, nicht geeignet ist, Einstellungsänderungen zu erzeugen. Die Kursleiter der Täterprogramme müssen sich um Zugang zu den individuellen Männern bemühen und sie als Gegenüber akzeptieren. (...) Ein Beharren auf einem Verzicht auf therapeutische Elemente und der Betonung des Sanktionscharakters der Trainingsprogramme käme u.U. der Entscheidung gleich, gänzlich auf das Experiment Täterprogramm zu verzichten. Dies entspricht jedoch nicht dem Wunsch vieler mißhandelter Frauen." (8)

An den Männerberatern kritisiert die Wissenschaftliche Begleitung die mangelnde Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Gewaltopfer. Unberücksichtigt bleibt bei der Mängelliste die grundsätzliche Unvereinbarkeit: Die meisten Männerberatungsstellen sind de facto reine Männervereine, die nicht nur keine psychosoziale Arbeit mit Frauen verrichten, sondern auch prinzipiell Fraueninteressen nicht besonders hoch ansetzen. Männerprojekte lehnen im allgemeinen Frauen als Mitarbeiterinnen rundweg ab, auch eine Co-Beratung von Frauen mit männlichen Klienten. Dass sich in Berlin die Mannege nach vielen Jahren enger Kooperation mit BIG verabschiedet hat, muss von daher nicht verwundern. Die Verknüpfung von juristischer Sanktion mit der sozialtherapeutischen Behandlung, um Täter in Gestalt eines effektiven Täterprogramms in Verantwortung zu nehmen, steht am Ende von sechs Jahren Berliner Modellprojekt erst am Anfang.

Im kleinen Maßstab führt Marzahn-Hellersdorf im bezirklichen Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt unter Federführung der Gleichstellungsbeauftragten Ämter, Polizei, Gerichts-und Bewährungshilfe, Frauen-/Mädchenprojekte etc. zusammen. Die Beratung für Männer - gegen Gewalt, bei der ich mitarbeite, ist integraler Bestandteil dieses Verbundes, das einen bezirklichen Aktionsplan umsetzen soll. In der konkreten Arbeit gegen Gewalt an Frauen vor Ort kann sich der Gegensatz zwischen Opferschutz und Männerarbeit, wie ich ihn oben skizziert habe, nicht nur relativieren, sondern auch fruchtbar genutzt werden. Vordringlich ist es immer noch, die Anforderungen an die Täterprogramme zu formulieren und Mindeststandards festzusetzen, da zum Beispiel die Dauer der Sozialen Trainingskurse noch stark differiert.

(1) Rede der Bundesministerin für Frauen und Jugend, Dr. Angela Merkel, in: Dokumentation zum Fachkongreß "Gewalt gegen Frauen - ein Thema für Männer" (10.12.1993). Informationen des Bundesministeriums für Frauen und Jugend, Materialien zur Frauenpolitik 35/1994, S. 7f.

(2) Christine Bergmann: Begrüßung, in: 'Sag mir, wo die Männer sind ...'. Dokumentation der Berliner Präventionsdebatte zur Gewalt gegen Frauen am 9. und 10. September 1993, hg. von der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Berlin 1994, S. 12)

(3) Berliner Landespressedienst 31.8.1995)

( 4) MgM in einem Flyer)

(5) Joachim Lempert: Therapie als Strafe? Die Frage der Freiwilligkeit in der Täterbehandlung. In: Frankfurter Rundschau, 2.12.2000, S. 9

(6) E. Sirowy: Theoretische und praktische Ansätze der Frauen- und Frauenhausbewegung im Bereich Gewalt gegen Frauen. Unveröffentliches Manuskript. Hamburg 1991, zitiert nach Maria Nini, Alexander Bentheim, Michael Firle, Inge Nolte und Andrea Schneble: Abbau von Beziehungsgewalt als Konfliktlösungsmuster - Abschlußbericht - 1994. Opferhilfe Hamburg e.V. in Zusammenarbeit mit Männer gegen Männer-Gewalt e.V., Hamburg. Stuttgart, Berlin, Köln: W. Kohlhammer 1995 (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 102), S. 89

(7) Barbara Kavemann, Beate Leopold, Gesa Schirrmacher, Carol Hagemann-White: Modelle der Kooperation gegen häusliche Gewalt. "Wir sind ein Kooperationsmodell, kein Konfrontationsmodell. Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Berliner Interventionsprojekts gegen häusliche Gewalt (BIG) - Universität Osnabrück. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 193. Stuttgart: W. Kohlhammer 2001, S. 37, siehe auch S. 41

(8) Kavemann et al. 2001, S. 306f, S. 308

 


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