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GESCHLECHT ALS WESEN
Kritische Anmerkungen zur »Freitag«-Männerkolumne

Freitag 28-07-01

Die »neue Männerkolumne« des Freitag als die Kolumne der Neuen Männer hat eine frohe Botschaft: Der Neue Mann ist da. Und schon braucht er eine Kolumne.

Kleinlich und abgedroschen wäre es, das vom Soziologen Ulrich Beck geprägte Urteil aufzuwärmen, Männer seien verbal aufgeschlossen, zugleich aber überwiegend verhaltensstarr. Nein, Männer schließen die Schere zwischen frauenfreundlicher Einstellung und männerkonservativem Verhalten. Nach der im Juni veröffentlichten repräsentativen Befragung des Allensbacher Instituts für Demoskopie sehen 78 Prozent der Frauen, aber nur 44 Prozent der Männer in Fragen der Frauenemanzipation noch erheblichen Handlungsbedarf. 73 Prozent der Frauen halten eine organisierte Interessenvertretung von Frauen für notwendig - eine Ansicht, die nur 45 Prozent der Männer teilen. Bei der Beurteilung der Frauenbewegung trennt sich das Urteil von Frauen und Männern scharf. Während jede zweite Frau die Frauenbewegung für notwendig hält, teilt lediglich knapp jeder fünfte Mann diese Einschätzung.

Die »Perspektiven von Geschlechterdemokratie aus männlicher Sicht - aus der Sicht des neuen Mannes« zeichnet nun Peter Döge als Leitlinie für die neue Freitagkolumne. »Bewusste Männerperspektiven« für eine »kritische Männerforschung als Forschung, in der sich Männer als Männer mit ihrem Geschlecht und ihren Geschlechtsgenossen beschäftigen,« fordert auch der Kritische Männerforscher Willi Walter in dem von Christina von Braun und Inge Stephan kürzlich herausgegebenen Band Gender-Studien.

So lange Frauenforschung existiert, schlagen sich Feministinnen auch mit Männern herum, erforschen Männlichkeiten und vor allem die Herrschaft von Männern. Sich als Männerforscherin zu bezeichnen hat zwar einen kecken Beigeschmack, ist aber seit einem Jahrzehnt durchaus üblich. Diese Männerforschung ist aufs Engste verwoben mit der Frauenforschung, mehr noch mit den Genderstudies, wie sie sich inzwischen nennt. Der Paradigmenwechsel, der die Erforschung der Männlichkeiten in Angriff nimmt, ging nicht kampflos über die Bühne. »Geschlechterstudien« klang einigen Frauen zu unfeministisch in den Ohren, und natürlich spielt die berechtigte Angst eine Rolle, dass das Old-Boys-Network die spärlichen Frauentöpfe anzapft. Soll die Institutionalisierung Kritischer Männerforschung nicht nur neue Pfründe erschließen, sondern auch alte Spielräume unter neuem Label zurückgewinnen?

Wofür steht das »Kritische« dieser Männerforschung? Der Mann versteht sich als Verkörperung des allgemein Menschlichen und versteckt sein Geschlecht; die Frau gilt als das Geschlecht par excellence. Dagegen rannte die Frauenbewegung erfolgreich an, und die Kritischen Männer übernahmen dies als ihr Credo. Bei weitergehenden Definitionen hapert es, weil etwa Antisexistische Männerforschung zu sehr nach kruder Programmatik und zu wenig nach Wissenschaft klingt. Geschlechterforschung von männlichen Wissenschaftlern im Rahmen von Genderstudies hieß es auch schon mal. Doch für Männerkolumnen wie für die Männerforschung stellt sich die grundsätzliche Frage: Was können Männer, was Frauen nicht können? Welche Sichtweise auf das »MannSein« jenseits selbsterfahrender Nabelschau ist ausschließlich Männer eigen?

Dafür dass sich Wissenschaftler (Männer) und Politiker (Männer) für die Gleichstellung engagieren - auch bei Wiederholungen altbekannter feministischer Wahrheiten sei ihnen rauschender Applaus gegönnt. Aber kann etwa das Berliner Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse Erkenntnisse gewinnen, die das Andere Geschlecht auf Grund ihrer Erfahrungen nicht machen kann? Kritische Männerforschung soll das große Defizit der Frauenforscherinnen ausgleichen; ihre Aussagen über Männer seien zu spekulativ und zu hypothetisch, so Döge. Liegt der Vorzug der Kritischen Männer in einem direkten, handfesten Verhältnis zum MannSein?

Hinterrücks wird das Geschlecht wieder mal als »Wesen« fixiert, während die Erforschung und Veränderung pluraler Männlichkeiten etwa durch den australischen Soziologen Bob Connell schon seit den achtziger Jahren auf der Agenda steht. Auch die verqueerten Geschlechterverhältnisse von Female Mas culinity - so ein kürzlich erschienenes Buch der US-Amerikanerin Judith Halberstam - sind kein Tabuthema mehr. Männlichkeit ist eine Sache auch von Frauen; wer wollte ihnen verwehren, sich darüber auszulassen?

Die Rede vom eindeutigen MannSein kam bisher aus der geschlechterkonservativen Ecke des Wilden Mannes Robert Bly (Verfasser der Männerkult-Schmonzette Eisenhans). Anders als in den USA besteht die hiesige mythopoetische Männerbewegung nur aus kleinen Zirkeln von Freizeitwilden, die sich ein Therapiewochenende in der Schwitzhütte leisten, um in der Woche mit gestärkter Manneskraft bei ihren Untergebenen und ihrem Weibe aufzutreten. Der Begriff MannSein grassiert bei Männergruppen, die das Ritornell Wir Männer so gerne singen. »Mannsein - eine einjährige Forschungsreise« bietet ein Institut für Männerbildung in Göttingen an: »Männliche Identität erscheint uns wie ein ›wildes Terrain‹ ... Die eigene verkörperte, d.h. im Körper manifestierte Seele als eine Art Wildnis zu sehen und sich ihr zu stellen, fordert unseren Mut und unsere Entschlossenheit heraus.«

Bei der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland kommt so etwas gut an. Aber beim Freitag? Auch Döges progressive Ansichten zur Gleichstellungspolitik beißen sich mit der Ontologie in der Überschrift. Die Rubrik suggeriert geschlechtliches So-Sein und verweist Frauen mal wieder auf die Ränge.

Natürlich ist die Kolumne MannSein nicht so gemeint. Vielleicht ist sie gut gemeint. Wenn nur das gehört wird, was aus einem Männermund kommt, auch wenn es Frauen schon tausendmal gesagt haben, dann erreicht die Männerkolumne des Freitag doch ihren Zweck.

 


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