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Abwesende Väter - schuldige Mütter?

Mama-Klatschen

GESCHLECHTER

Die Hand, welche die Wiege bewegt, bewegt die Welt. Mütter haben die Macht über das Schicksal der Kinder, zumal der Söhne. Amendt ist mit seiner Polemik alles andere als originell. Die verschlingende Mutter ist ein uralter Topos. Nur Stammesväter können in einer - meist blutigen - Initiation aus dem Knaben einen richtigen Menschen, will heißen: einen ganzen Mann machen. Ohne Vater droht das Chaos, die Psychose und die Kriminalität. Ein Wunder, dass unser vaterloser Kanzler die Kurve gekriegt hat und nicht wie Joschka in die Gang abgeglitten ist!

Dass durch alleinerziehende oder übermächtige Mütter den Söhnchen Böses droht, menetekelten schon einmal Psychologen der Nachkriegszeit. Massenweise waren Väter auf den Feldern der Ehre geblieben oder kehrten als geschlagene und gebrochene Helden zurück zu ihren Frauen, die an der Heimatfront ihren Mann standen. Nicht nur in Deutschland randalierten die Rebels Without a Cause, also alle die halbstarken James Deans der fünfziger Jahre, weil ihre domestizierten Papas mit Schürze den Mamas untertan waren. Der Ekel vor kastrierten Vätern mündete in eine Sehnsucht nach dem ganzen Mann, nach dem Vater, der, wenn er nach Hause kommt, alles richtet.

An den Jungmännergangs ist das Patriarchat noch nie zerbrochen - ganz im Gegenteil. Da können Mütter machen, was sie wollen, mit Mann oder ohne Mann. Auch übermächtige Mütter können nicht verhindern, dass aus Rebellen und Müttersöhnchen traditionelle Staats-Männer werden. Deren moderne Männlichkeit greift sogar auf uralte Mythen zurück, wenn etwa das Sexualleben vaterloser Präsidenten im Zeichen der oralen Verehrung des Phallus steht.

Verlassen wir die kultischen Praktiken. In der alltäglichen Lebenspraxis motiviert die erlebte Väterentbehrung die erwachsenen Söhne so gut wie nie, ihren Kindern einen Vater zu bieten. Dies wäre die Gelegenheit, die eigene Vatersehnsucht am Kind zu kurieren. Nicht gegen die Frau, sondern in Abgrenzung zum eigenen Vater.

Das Familienministerium startet im März eine Väterkampagne. Ministerin Bergmann hätte sicher nichts dagegen, wenn sie damit Vatersehnsüchte unterstützt. Doch der Himmel der Gefühle und professoraler Ideale ist nicht Thema des novellierten Erziehungsgeldgesetzes. Damit sich Väter ein ganz klein wenig stärker engagieren - frau will sie ja nicht überfordern -, dürfen sie (und natürlich auch die Mütter) von nun an einer Teilzeitbeschäftigung von bis zu 30 Stunden pro Woche nachgehen. Das lässt den Vätern immer noch viel Platz für den Job und damit für die väterliche Quadratur des Kreises: Für das Kind ganz wichtig, mindestens so wichtig wie die Kindesmutter, und dennoch so wenig wie möglich körperlich präsent zu sein.

Das Thema "Väter" eignet sich so denkbar schlecht für grobschlächtiges Mama-Klatschen. Wer verhindert das "neue Arrangement der Geschlechter"? Kaum jemand habe gewagt - so Amendt - irgend etwas Positives über die Rolle des Vaters zu sagen. Doch Väter werden von Frauen hofiert, auch kleinere Anstrengungen werden mit Beifallsbekundungen belohnt. Dass irgendeine Frauenbewegung festgelegt habe, dass "die Männer an allem Schuld" seien, reduziert den Feminismus auf das '68er-Flugblatt mit den Schwanztrophäen der sozialistischen Eminenzen. Bibliotheken sind gefüllt mit Analysen über das komplizierte System von Gender, Klasse und Ethnie. Keine Hochschullehrerin könnte sich das krude Männerklatschen leisten, dass Vater=Täter sei.

Typisch für psychologisierende Väterrechtler ist ihre Sorge um die Söhne. Das Patriarchat braucht würdige Nachfolger. Väter kümmern sich ganz real weniger um ihre Töchter und sorgen sich höchstens um deren sexuelle Moral. Töchter, die nicht recht ernst genommen und gefördert werden, sind nicht Sache der Männerbewegung, genauso wenig dass für Töchter die mütterliche Umklammerung problematischer als für Söhne sein könnte, weil diesen viel größere Freiheiten gewährt wird. Der Sohn, nicht die Tochter muss hinaus ins feindliche Leben.

Mama-bashing ist Amendts Passion seit Jahren, und sein konservatives Psychogebabbel scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen. Wollen wir überhaupt das Geschlechterverhältnis ändern, dieses "Modell eines besonders strukturierten Erlebnisses" (Amendt)? Zerstören nicht Emanzen und Softies die "besondere Spannung als Mann und Frau"? Durch die Vermischung des jeweils Besonderen und der Vernichtung der spannungsreichen Dualität droht im nivellierten Geschlechtereinheitsbrei die Anarchie. Und Amendt weiß, dass wir das doch alle nicht wollen.

 


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