Sag mir, wer die Täter sind
Gerhard Hafner - Wochenzeitung
FREITAG 16.11.2001
KOMMENTAR
Nach
Jahrzehnten Debatte wird das Gewaltschutzgesetz verabschiedet
Von Gewalt reden alle. Doch für viele
Frauen findet Gewalt nicht weit hinten in Afghanistan statt, und die Täter
sind keine Terroristen, sondern Ehemänner, mit denen sie Tisch und Bett
teilen. Öffentlich kaum wahrgenommen verabschiedete am 8. November der
Bundestag das Gewaltschutzgesetz. Dieses längst überfällige Gesetz
soll insbesondere Frauen vor Gewalttaten im häuslichen Bereich schützen
und Gewaltopfern die gemeinsame Wohnung zusprechen. Das Prinzip
"Der Schläger geht, die Geschlagene bleibt" wollte schon
Angela Merkel umsetzen, als sie noch Frauenministerin war. Nach dem
neuen Gesetz kann die Wohnung dem Opfer nun schneller zugewiesen werden,
dies gilt auch für nicht verheiratete und homosexuelle Paare. Kontakt-
und Näherungsverbote sollen Täter auf Distanz halten. Neu ist auch,
dass das so genannte Stalking, also andauernde Nachstellungen
und Belästigungen, unter Strafe steht.
Erstaunlich, dass es Jahrzehnte dauerte, bis häusliche Gewalttäter in
die Schranken gewiesen werden. Wenn es sich um öffentliche Plätze
handelt, macht es sich die Polizei mit Platzverweisen - etwa bei
DemonstrantInnen - weniger schwer. Nachdem Baden-Württemberg den
Platzverweis bei häuslicher Gewalt erprobte, zieht noch rechtzeitig vor
dem Fest der Liebe und Hiebe eine einzelne Berliner Polizeidirektion mit
einer geänderten Auslegung des Allgemeinen Sicherheits- und
Ordnungsgesetzes nach.
Auf permanenten öffentlichen Druck nimmt die Polizei häusliche Gewalt
ernster; nicht zuletzt aber auch deshalb, weil die BeamtInnen bei Einsätzen
zu "Familienstreitigkeiten" (wie es früher verniedlichend hieß)
sehr gefährdet sind. Als Offizialdelikt wird Männergewalt zunehmend
von der Staats- oder Amtsanwaltschaft verfolgt, so dass nicht das
Gewaltopfer den Strafantrag stellen braucht. Sehr oft zogen Frauen ihre
Anzeige wieder zurück, weil der Täter Druck auf sie ausübte.
Der Weisheit letzter Schluss sind staatliche Sanktionen nicht. Bei der
punktuellen Koalition aus konservativen Ordnungspolitikern (vornehmlich
Männern) und Feministinnen bekam so manche Staats- und
PolizeikritikerIn eine Gänsehaut. Aber im Effekt handelt es sich wie
schon bei der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe nur darum, dass
hinter der Wohnungstür nicht Recht sein kann, was vor ihr geahndet
wird. Das neue Recht soll generalpräventiv wirken, indem es klarstellt,
dass die Gesellschaft häusliche Gewalt nicht als Bagatelle abtut,
sondern wie andere Taten sanktioniert.
Abzuwarten bleibt, ob die Polizei nicht nur in Neukölln beim Pack, das
sich schlägt, einschreitet, sondern auch vor der Villa des Herrn Doktor
in Grunewald nicht zurückschreckt. Dass Männergewalt nur von
muskelbepackten Prolls ausginge, gehört in die Welt der Märchen. Doch
die Täter, die bisher zu sozialen Trainingskursen verknackt wurden,
kamen in aller Regel nicht aus Bürgerhäusern.
Apropos Täter. Natürlich haben engagierte Männer umgehend moniert,
dass Männer als Täter festgeschrieben werden. Hier rächt sich, dass
unter Bürgern, Wählern und Lesern auch Frauen subsummiert werden. Hört,
ihr Frauen, nun seid ihr auch als Täter angesprochen! Sogar das von der
Bundesregierung unterstützte Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche
Gewalt vermied Männergewalt in ihrem Namen. Das Gewaltschutzgesetz
ist juristisch - nicht sprachlich - geschlechtsneutral gefasst. Von der
verfassungsgemäßen Gleichstellung profitieren ab dem 1. Januar, wenn
die neuen Regelungen in Kraft treten, auch männliche Opfer. Männerrechtler
wollen jetzt beweisen, dass es mindestens ebenso viele geschlagene Männer
gibt. Wenn es stimmen sollte, dann sollten sie sich schleunigst bei den
Feministinnen für deren Jahre langen Kampf bedanken.
Gerhard Hafner ist Psychologe und
Anti-Gewalt-Berater in Berlin
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