Brüssel, 29 März 1999
Ministerkonferenz der Europäischen Union in Köln
als Teil der Kampagne
gegen Gewalt gegen Frauen
Eine der wichtigsten Veranstaltungen der Kampagne der Europäischen Union (EU)
gegen Gewalt gegen Frauen findet vom 29. bis zum 31. März in Köln statt. Die
Konferenz wird vom deutschen EU-Vorsitz gemeinsam mit der Europäischen
Kommission veranstaltet. Im Mittelpunkt werden die Mittel und Wege der Bekämpfung
von Gewalt im häuslichen Umfeld stehen, und es sollen Wege gefunden werden, um den
Rechtsschutz von Opfern von Opfern häuslicher Gewalt zu verbessern und die Täter
entschlossener als in der Vergangenheit zu verfolgen. Kommissionsmitglied Anita
Gradin - u.a. zuständig für Inneres und Justiz und eine der treibenden Kräfte der
Kampagne - warnt vor der weitverbreiteten Ansicht, daß häusliche Gewalt lediglich ein
Problem für Frauen darstellt. "In den meisten Fällen häuslicher Gewalt sind die Täter
männlich. Deshalb werden wir das Problem nie lösen, wenn wir die Frage nicht stellen,
wie Männer mit gewalttätigem Verhalten zu behandeln sind. Aber wir müssen auch die
große Mehrheit der nicht-gewalttätigen Männer in den Kampf einbeziehen, um gute
Vorbilder zu schaffen und einen grundsätzlichen Wandel der Mentalitäten
herbeizuführen". Dazu hat Kommissionsmitglied Gradin beschlossen, daß die gesamten
für die Kampagne zur Verfügung stehenden Finanzmittel, insgesamt 2 Million Euro,
für Vorhaben in den Mitgliedstaaten verwendet werden, die das Thema Männer
und Gewalt behandeln.
Die Konferenz in Köln ist das dritte öffentliche Ereignis auf EU-Ebene gegen Gewalt. Im
Dezember 1998 war der österreichische EU-Vorsitz Gastgeber einer internationalen
Expertenkonferenz in Wien. Hauptthema war die Rolle der Polizei bei der Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen. 52 Normen und Empfehlungen für die Bekämpfung der Gewalt gegen
Frauen wurden angenommen. Die Arbeiten der Kölner Konferenz werden sich auf diese Normen
und Empfehlungen stützen.
Am 8. März wurde im Europäischen Parlament der internationale Frauentag begangen, der
weitgehend dem zentralen Thema der Gewalt gegen Frauen gewidmet war. Kommissionmitglied
Anita Gradin gab eine Erklärung ab und lancierte ferner eine Kampagne der weißen Bänder als
Symbol für die vollständige Ächtung der Gewalt gegen Frauen.
Eine dritte europäische Veranstaltung ist gegen Ende des finnischen EU-Vorsitzes vorgesehen, die
Kampagne wird voraussichtlich am 8. März 2000 abgeschlossen.
Auf der Konferenz in Köln wird Kommissionsmitglied Anita Gradin einen mit Unterstützung der
Kommission erstellten Bericht über in den Mitgliedstaaten öffentlich verfügbare Statistiken über
Gewalt gegen Frauen vorlegen. Ein weiterer Kommissionsbeitrag im Rahmen der Kampagne ist
eine Ausgabe von Euro-Barometer über die Haltung gegenüber Gewalt gegen Frauen in den
Mitgliedstaaten.
Bei der internationalen Konferenz über Menschenrechte in Wien im Jahre 1993 wurden die
Rechte der Frauen endlich als Menschenrechte akzeptiert.
"Dies war ein echter Durchbruch in dem Sinn, daß alle Formen von Gewalt aufgrund des
Geschlechts, sexueller Belästigung und sexuellen Mißbrauchs Verstöße gegen die
Menschenrechte sind. Es bedeutet auch, daß heute das Thema Gewalt gegen Frauen als wichtiges
Problem international anerkannt ist", erklärte Kommissionsmitglied Gradin.
Dies ist in hohem Maße auch innerhalb der EU der Fall. Fortschritte wurden in den vergangenen
Jahren erzielt, indem die Frage auf die europäische Tagesordnung kam und sich sowohl die
Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Gewalt gegen Frauen als auch die Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten in diesem Bereich änderten.
Ein bedeutender Beitrag zu dieser Arbeit ist die DAPHNE-Initiative. Seit 1997 hat die
Kommission eine große Zahl von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) unterstützt, die Gewalt
gegen Frauen und Kinder bekämpfen. Im Mai 1998 hat die Kommission einen Vorschlag
angenommen, die DAPHNE-Initiative in ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm umzuformen.
Das Programm wird fünf Jahre laufen und insgesamt Finanzmittel in Höhe von 25 Million Euro fürMaßnahmen im Zusammenhang mit der Gewalt gegen Frauen, junge Menschen und Kinder
bereitstellen. Das Programm wird auch den Beitrittskandidaten in Mittel- und Osteuropa und
Zypern offenstehen.
Empfehlungen aus den Fachforen der
EU-Konferenz zur Gewalt gegen Frauen
am 29. und 30. März 1999 in Köln
Fachforum 1:
Ausmaß, Hintergründe und Folgen von Gewalt gegen Frauen
1. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihre Institutionen werden aufgerufen, eine
gemischte Gruppe auf europäischer Ebene zu unterstützen, die sich aus Forscher/innen,
Expert/innen und Frauen-NGO’s zusammensetzt, die ein breites Wissen auf dem Gebiet des
Kampfes gegen Gewalt an Frauen haben. Damit soll das Zusammentragen sachdienlicher
Informationen auf der Basis gemeinsamer Kriterien, die Ausarbeitung gemeinsamer Normen
und die Verarbeitung multidisziplinärer Forschungsprogramme – unter spezieller
Berücksichtigung der Täter- Opfer- Beziehung – ermöglicht werden.
2. Die Mitgliedstaaten der EU und die europäischen Institutionen werden aufgefordert,
Kontakt mit dieser gemischten Gruppe zwecks Informations- und Erfahrungsaustausch zu
halten und um Einflußnahme auf die sozio-ökonomischen Entscheidungen auf europäischer
Ebene zu gewährleisten, damit die Problematik der Gewalt gegen Frauen insbesondere in
der Politik zur Chancengleichheit, zur Familie, zur Gleichstellung, zur Innen- und Rechtspolitik
und zur Bildungs- und Medienpolitik berücksichtigt wird.
Fachforum 2:
Rechtliche Möglichkeiten der Bekämpfung von (häuslicher) Gewalt
gegen Frauen
1. Die Mitgliedstaaten der EU und die beitrittswilligen Länder werden aufgefordert,
ausdrückliche, effektive und klare gesetzliche Regelungen bei häuslicher Gewalt zu schaffen,
die auf die sofortige Trennung von Opfer und Täter durch die umgehende Entfernung des
gewalttätigen Mannes aus der Wohnung und der Umgebung der betroffenen Frau und ihrer
Kinder gerichtet sind. Der Polizei sind konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung der
Vorschriften zu geben unter Einbeziehung weiterer opferschützender Maßnahmen. Begleitend
und nachgehend soll die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen und das Verhalten des
gewalttätigen Mannes kontrolliert werden.
2. Zum Zwecke der Sicherheit der von häuslicher Gewalt betroffenen Frau sollen die
Mitgliedstaaten der EU und die beitrittswilligen Länder sicherstellen, daß Migrantinnen ihren
Aufenthaltsstatus nicht verlieren, wenn es zur Trennung vom Gewalttäter kommt.
Fachforum 3: Prävention
1. Alle staatlichen Institutionen werden verpflichtet, sich mit dem Thema "Männergewalt"
auseinanderzusetzen, hier zusammenzuarbeiten, Informationen gegenseitig auszutauschen,
interne Strukturen in Bezug auf Duldung und Fortsetzung von Männergewalt zu analysieren
und ihre Aus- und Fortbildung entsprechend zu gestalten. Ferner sollen sie primäre
Täterprävention betreiben.
2. Die Präventionsarbeit gegen Männergewalt muß von den Regierungen finanziert werden.
Fachforum 4:
Hilfseinrichtungen und Zusammenarbeit mit Institutionen, europäische
Vernetzungen
1. Alle nationalen Regierungen werden verpflichtet, ein umfassendes und kostenloses
Unterstützungsangebot für mißhandelte Frauen und ihre Kinder, unabhängig von deren
rechtlichen Status, unter Leitung von Frauen-NGO’s einzurichten und zu finanzieren. Dazu
gehören Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen, Notrufe, rechtliche und soziale Hilfen,
Unterstützungsangebote für Kinder und Interventionsprojekte, für die im Fachforum 4
Standards entwickelt wurden, die einzubeziehen sind.
2. Alle nationalen Regierungen werden verpflichtet in Zusammenarbeit mit Frauen-NGO’s bis
zur nächsten EU-Konferenz jeweils einen nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen zu
erstellen und die notwendigen Mittel für die Umsetzung bereitzustellen.
Fachforum 5: Täterarbeit
1. In allen Mitgliedstaaten der EU und den beitrittswilligen Ländern sollen gesetzliche
Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen Weisungen bzw. Auflagen zu
erteilen, um Gewalttätern die Teilnahme an Trainingsprogrammen zu ermöglichen.
2. Täterarbeit und diesbezügliche Öffentlichkeitskampagnen sollen sich auf internationale
Erfahrungen stützen und als Teil eines umfangreichen Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder wissenschaftlich untermauert und bewertet werden.
Die Meinungen und Erfahrungen der betroffenen Frauen und Kinder müssen bei der
Täterarbeit berücksichtigt werden.
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